Das Tabu zum Thema machen: Depressionen nach der Geburt

Wenn Mutterwerden unglücklich macht, trauen sich viele Mütter aus Scham und Versagensängsten nicht, darüber zu sprechen. Denn negative Emotionen passen nicht zum gängigen Bild des Mutterglücks. Dabei ist eine postpartale Depression, häufig auch postnatale Depression genannt, eine ernstzunehmende Krankheit, die gut behandelbar ist.

Nicht jede Frau strahlt vor Glück, wenn sie Mutter geworden ist. Mehr als die Hälfte der Frauen erleben in den ersten Tagen nach der Entbindung eine Phase mit niedergeschlagener Stimmung. Sie fühlen sich traurig und labil. Das ist normal, weil sich die Hormone in dieser Zeit umstellen und die neue Situation eine enorme Anpassungsleistung von den Eltern fordert. Dieser „Baby Blues“ klingt nach einigen Stunden oder wenigen Tagen wieder ab und muss nicht behandelt werden. 


Wenn der Baby Blues anhält

Halten die Symptome länger an, spricht man von einer postpartalen Depression oder Wochenbettdepression. 10-15 % aller Frauen sind davon betroffen. Das sind in Deutschland bei knapp 790.000 Geburten (2018) rund 100.000 Frauen pro Jahr. Diese depressive Erkrankung beginnt in den ersten Tagen und Wochen nach der Entbindung, entwickelt und verschlimmert sich schleichend. Deshalb sollten junge Mütter, die sich nicht gut fühlen, unbedingt so früh wie möglich – also schon nach ein paar Tagen – mit einem Arzt oder ihrer Hebamme über ihre Symptome sprechen.


Diese Symptome sind typisch

Betroffene Mütter leiden unter Depressionssymptomen wie gedrückter Stimmung, einem Gefühl von tiefer Trauer und/oder Angst, sind leichter reizbar, schlafen schlecht, fühlen sich antriebs- und energielos, haben eventuell Kopfschmerzen und Schwindel, sogar Panikattacken sind möglich. Sie verlieren ihre Interessen und ihren Appetit und können sich schlecht konzentrieren. Häufig verstehen sie außerdem die Bedürfnisse des Säuglings nicht und haben Schwierigkeiten, Liebe und Freude dem Kind gegenüber zu empfinden. Dadurch entstehen zusätzlich Schuldgefühle bei der Mutter.

Vom Baby Blues und der postpartalen Depression abzugrenzen ist die postpartale Psychose. Ein bis zwei Frauen von 1.000 erkranken nach der Geburt daran. Sie tritt meist innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entbindung auf. Neben verstärkten Symptomen der postpartalen Depression, geht die Erkrankung unter anderem mit Halluzinationen, ziellosem Verhalten, Sinnestäuschungen und Suizidgedanken einher. Mutter und Kind brauchen in diesem Fall besonders schnell professionelle Hilfe, weil das leibliche Wohl von beiden stark gefährdet sein kann.


Symptome erkennen und darüber sprechen

Die Symptome werden von Betroffenen häufig als normale Reaktion auf die Geburt und die neuen Aufgaben angesehen. Sie sprechen deshalb wenig darüber, oder verschweigen ihre Beschwerden aus Angst oder Scham. Das Gefühl, als Mutter zu versagen oder Gefühllosigkeit gegenüber dem Kind, verstärken Scham- und Schuldgefühle. 

Über seine Gefühle zu sprechen ist aber dringend notwendig. Denn die Wochenbettdepression ist eine ernste Erkrankung. Sie muss schnell behandelt werden, um Langzeitfolgen für Mutter und Kind zu verhindern. Denn auch für den Säugling bestehen Gefahren wie Bindungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Störungen der emotionalen und kognitiven Entwicklung.


Die gute Nachricht

In den meisten Fällen von Depression nach der Geburt werden die Mütter wieder vollständig gesund. Behandelt wird eine Wochenbettdepression meist durch eine engmaschige psychotherapeutische Betreuung. Ist die Mutter beispielsweise im Haushalt überfordert, kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Sozialarbeiter oder eine Pflegekraft unterstützen. Stärkere Depressionen oder die Wochenbettpsychose sollten zusätzlich medikamentös behandelt werden.


Machen Sie den Selbsttest

Erkennen Sie sich oder eine junge Mutter aus Ihrem Umfeld wieder? Dann nutzen Sie den Selbsttest für eine erste Einschätzung. Der Fragebogen bezieht sich auf das Wohlbefinden in den letzten sieben Tagen und kann gegebenenfalls im Abstand von ein paar Tagen wiederholt werden, um die Entwicklung zu beobachten. Dieser Fragebogen soll eine erste Orientierungshilfe sein. Auf keinen Fall ersetzt er den Besuch bei einem Arzt.


Ursachen für die postpartale Depression

Eine spezifische Ursache für eine postpartale Depression gibt es nicht. Körperliche, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren können eine Rolle spielen. Ein erhöhtes Risiko zu erkranken haben Frauen, die in ihrem Leben bereits unter depressiven Verstimmungen gelitten haben. 

Auch Männer sind betroffen. Denn für sie ist das Anpassen an die neue Situation ebenfalls eine große emotionale Herausforderung. Die Forschung liefert bisher nur wenige Zahlen in diesem Zusammenhang, aber es wird vermutet, dass etwa einer von 20 Vätern unter einer postpartalen Depression leidet. 


Hier erhalten Sie Hilfe

Für Betroffene, die Hilfe suchen, sind Hebammen und behandelnde Ärzte die ersten Ansprechpartner. Zudem finden Sie Unterstützung in Mutter-Kind-Einrichtungen und Selbsthilfegruppen. Über soziale Netzwerke können Sie außerdem Kontakt mit Personen aufnehmen, die Ähnliches durchlebt haben. 

Der erste und wichtigste Schritt für betroffene Mütter, deren Familie und Freunde ist und bleibt aber das Sprechen über die Situation. Sprechen Sie aus, was Ihnen auf der Seele liegt oder sprechen Sie an, was Sie beobachten. Nur so bekommt dieses wichtige Thema, das so viele Mütter betrifft, den Raum, den es braucht, um aus der Tabuzone zu verschwinden.

Abschließend haben wir für Sie eine Auswahl an Expertenadressen zusammengestellt: